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Warum läuft der Breitbandausbau so langsam?

Pressebericht aus der Schwäbischen Zeitung vom 01.12.2022 – Interview Redakteur Christoph Schneider mit Wolfgang Rölle und Christian Drescher:

Komm.Pakt.Net koordiniert den Netzausbau zwischen Alb und Bodensee – aber kaum einer kennt sie bislang

Von Christoph Schneider

Laichingen – Der freie Markt werde für schnelles Internet für alle sorgen, hieß es. Aber der Markt hat es nicht gerichtet, zumindest nicht in ländlich geprägten Räumen, wie es zwischen Schwäbischer Alb und dem Bodensee viele gibt. Wo der freie Markt versagt, muss die öffentliche Hand eingreifen, in unserer Region in Form von Komm.Pakt.Net, einer Kommunalanstalt des öffentlichen Rechts. Im Interview erklären Vorstand Wolfgang Rölle (55) und Projektleiter Breitbandausbau Christian Drescher (45), was die Anstalt macht, warum die Ausbauprozesse oft mehrere Jahre brauchen und wie der aktuelle Stand ist.

Herr Rölle, Komm.Pakt.Net wurde 2015 aus der Taufe gehoben, warum?

Da muss man auf die Situation im Jahr 2015 und den Vorjahren schauen, gerade mit Blick auf die ländlich geprägten Räume zwischen der Schwäbischen Alb und dem Bodensee. Hier gibt es zahlreiche kleine Orte, die nur sehr schwierig und wirtschaftlich kaum darstellbar, von den Netzbetreibern ans schnelle Datennetz angeschlossen werden können. Natürlich haben dort alle die alten Telefonleitungen aus Kupfer. Aber diese sind, was die Geschwindigkeit des Datentransfers betrifft, sehr eingeschränkt. Wenn wir von Ausbau sprechen, reden wir von Glasfaserkabeln. Bei diesen ist die Datenrate um ein Vielfaches höher und nach oben eigentlich unbegrenzt. Aber dieser Ausbau kostet eben auch viel Geld.

Wie viel Geld kostet denn das Legen von Glasfaserleitungen?

Wir rechnen aktuell bei der Herstellung einer Datenleitung mit etwa 140 Euro pro laufendem Meter. Wenn also der Aussiedlerhof oder das Vereinsheim, die mit schnellen Datenleitungen versorgt werden sollen, einen Kilometer außerhalb des Ortszentrums und damit des nächsten Netzknotens liegen, würde ihr Anschluss jeweils um die 140.000 Euro kosten. Die Netzbetreiber rechnen dann so: Wenn sie pro Monat pro Anschluss beispielsweise 55 Euro Gebühren für diesen einen Internetanschluss bekommen, müssten die Anschlussnehmer jeweils rund 200  Jahre einzahlen, bis sich der Bau der Leitungen für die Netzbetreiber rechnet.

Und wie kommt da die Kommunalanstalt Komm.Pakt.Net ins Spiel?

Solche ländlich geprägten, kleinen Gemeinden haben keine Chance, sich einzeln Gehör zu verschaffen. Deswegen haben acht Landkreise zwischen Alb und Bodensee beschlossen, sich in diesem Bereich zusammenzuschließen und gemeinsam aufzutreten. Das sind nun 202 Städte und Gemeinden, die den Ausbau gemeinsam vorantreiben. Gemeinsam zeigen sie Stärke und das verschafft ihnen auch Gehör.

Herr Drescher, wie läuft der Ausbau in einer Gemeinde oder Stadt konkret ab?

Wir führen im Auftrag der Kommune eine Marktuntersuchung durch und identifizieren dabei unterversorgte Gebiete – also Gebiete, in denen die Datengeschwindigkeit unter gewissen Mindestwerten liegt. In diesem Zug fragen wir auch die wohl allen bekannten privaten Netzbetreiber an, ob denn einer oder mehrere von ihnen beabsichtigen, das schnelle Netz in diesen Gebieten in den kommenden drei Jahren auszubauen. Wollen sie das nicht, spricht man von „Marktversagen“ und damit wird der Datenleitungsausbau förderfähig durch die öffentliche Hand.

Wie geht es ab da weiter?

In diesem Fall erstellen wir eine Grobkostenschätzung, damit die Gemeinderäte gegebenenfalls ihren Willen zum Ausbau bekunden können. Erst dann können wir die Förderanträge beim Bund und später beim Land stellen. Hierbei ist aber eine strikte Reihenfolge einzuhalten: Am Anfang steht der Antrag auf Bundesförderung – der Bund übernimmt die Hälfte der Kosten. Erst wenn die Genehmigung des Bundes vorliegt, kann man die Förderung des Landes beantragen, welches 40 Prozent der Kosten übernimmt. Mit anderen Worten, wenn Bund und Land zusagen, übernehmen sie gemeinsam 90 Prozent der prognostizierten Baukosten des Datennetzausbaus. Zehn Prozent muss aber die Kommune selber tragen und deswegen entscheiden schlussendlich die kommunalen Gremien, ob man sich den Ausbau leisten kann oder will.

Ist das denn wirklich eine Frage?

Wir reden hier von Millionensummen, die der Netzausbau kosten kann. Da stellt sich schon der einen oder anderen Gemeinde die Frage, ob sie die beispielsweise 500.000 Euro, die ihr Eigenanteil wäre, stemmen kann. Das ist gerade bei kleineren Gemeinden nicht immer einfach.

Wie lange dauert denn so ein Prozess?

Von der Auftragserteilung für die Markterkundung bis zu dem Tag, an dem der Bagger anfängt, den ersten Kabelgraben auszuheben, vergehen in der Regel bis zu zwei Jahre – bei idealen Bedingungen. Wenn freilich das Land wie im Herbst 2020 oder der Bund jetzt am 17. Oktober vorübergehende Förderstopps verkünden, zieht sich das Ganze noch länger. Auf die Neuauflage der Landesförderung mussten wir bis Anfang 2021 warten und wie es mit der aktuell ausgesetzten Bundesförderung weitergeht, wird sich wohl erst 2023 zeigen.

Herr Rölle, warum stoppt der Bund so ein Förderprogramm?

Im Moment schimpfen alle auf die Sachsen und auf die Baden-Württemberger, wir hätten einen „Fördertsunami“ losgetreten und damit die Kasse geleert. Dabei haben wir nur unseren Job gemacht und unsere Kommunen aufgefordert, aktiv den Ausbau anzugehen. Wenn der Fördertopf schon im Herbst leer ist, nachdem nur zwei Bundesländer ihre Anträge gestellt haben, sollte man mal über den Inhalt des Topfes nachdenken.

Manche Kommune, wie jüngst beispielsweise die Stadt Laichingen, bekommt nun plötzlich doch Angebote von Netzbetreibern und greift – auch mangels öffentlicher Förderung – auf diese zurück. Woher kommen diese Investoren so plötzlich?

Viele Investoren haben inzwischen erkannt, dass sich der Ausbau von Glasfasernetzen tatsächlich auf lange Sicht lohnen kann. Denn wenn einmal ein Hausanschluss hergestellt ist, geht man davon aus, dass dadurch über Jahrzehnte Gebühren eingenommen werden. Spätestens die Coronapandemie mit Lockdowns, Homeschooling und Homeoffice hat gezeigt, wie wichtig für viele ein Anschluss mit möglichst hoher Bandbreite daheim ist. Und der Bedarf an Bandbreite wird weiter und unaufhaltsam steigen, wenn man sich anschaut, was es allein im Bereich Smarthome für Entwicklungen gibt. Da sind das Streaming von Filmen und Serien oder das mobile Arbeiten nur zwei Bereiche. Es gibt Kühlschränke, die immer im Netz sind, Heizkörperthermostate, die über das Handy gesteuert werden können und etliches mehr. Der Internetanschluss gehört inzwischen zum Haus oder der Wohnung wie Wasser, Strom oder Telefon. Daran kommen wir nicht mehr vorbei. Und das haben nun auch die Netzbetreiber erkannt.

Finden Sie das denn gut, Herr Rölle?

Grundsätzlich begrüßen wir solchen eigenwirtschaftlichen Ausbau. Es bestehen jedoch Befürchtungen, dass Investoren sich auf wirtschaftlich interessante Kerngebiete konzentrieren. Was aber geschieht mit dem eingangs erwähnten Aussiedlerhof oder dem Vereinsheim? Im Zweifel muss die Gemeinde in einigen Jahren diese selbst erschließen und wer weiß, ob es dann noch eine Förderung gibt? Wir von Komm.Pakt.Net sind durch die Förderung der öffentlichen Hand verpflichtet, alles anzuschließen, auch die weiter weg gelegenen Höfe oder Vereinsheime. Eigenwirtschaftliche Akteure haben diese Verpflichtung nicht.

Und wie steht es nun aktuell um den Ausbau in der Gebietskulisse von Komm.Pakt.Net?

Wir sind schon sehr weit. Auf der Ostalb gibt es beispielsweise die Gemeinde Ellenberg, die inzwischen mit Glasfaser voll erschlossen ist – inklusive 20 außenliegender Gebäude wie Höfe oder Vereinsheime. Zudem sind alle unsere Gemeinden im Netzausbau aktiv. Das kommt auch der Wirtschaft zugute. Denn es gibt  zwei Fragen, die Bürgermeistern vor der Neuansiedlung von Betrieben und privaten Bauwilligen immer wieder gestellt werden: „Wie schaut’s aus mit den Kindergartenplätzen und wie schnell ist euer Datennetz?“

Und was sagen die Einwohner dazu?

Vor zwei Jahren haben wir im Alb-Donau-Kreis ein Netz in Betrieb genommen. Da kam eine ältere Dame zu uns und sagte, sie habe jetzt auch Internet und unter anderem deswegen würden ihre Kinder nun länger als nur die zwei Tage über Weihnachten bleiben.

 

Quelle Interview + Foto: Schwäbische Zeitung